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Ist Cholesterin wirklich gefährlich?

Ist Cholesterin wirklich gefährlich?

Wer zu viel Cholesterin im Blut hat, lebt gefährlich. So heißt es zumindest. Aber stimmt tatsächlich, was uns Ärzte, Wissenschaftler und Medien einreden? Ein Blick in die Geschichte der Cholesterinforschung.

Schon seit langem steht Cholesterin im Verdacht, Hauptursache von Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen schweren Erkrankungen zu sein. Die Veröffentlichungen zum Thema sind schier unüberschaubar, da ist es besonders lobenswert, wenn ein Buch auf kompetente und zugleich hilfreiche Weise verständlich macht, wie man mit dem Thema Cholesterin umgehen muss.

Das Selbsthilfeprogramm von Dr. med. Ramon Martinez „Cholesterin selbst senken in 10 Wochen“ spiegelt sowohl den aktuellen Stand der Forschung (und der ist weitaus spannender, als es uns die diversen Artikel in den verschiedenen Zeitschriften Glauben machen wollen), und es gibt einen leicht zu befolgenden Plan an die Hand, wie man zu gesunden Cholesterinwerten gelangen kann.

Dr. med. Ramon Martinez: fachlich und sprachlich versiert

Dr. med. Ramon Martinez ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Hypertensiologie (Bluthochdruck) und wirkt als Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin am St.-Sixtus-Hospital in Haltern.

Zu seinem Schwerpunktgebiet gehören Herzerkrankungen und die Behandlung von Bluthochdruck sowie erhöhten Blutfettwerten. Neben seinem klinischen Wirken hält Martinez regelmäßig Fachvorträge für Ärzte, und er veranstaltet Patientenseminare. Bei der Schlüterschen Verlagsgesellschaft erschien bereits sein Ratgeber „Bluthochdruck selbst senken in 10 Wochen“.

Was ist Cholesterin?

Dr. Martinez wartet mit einer Überraschung auf: »Bei dem Thema Cholesterin werden … teilweise gegensätzliche Meinungen vertreten!“, beschreibt er die Situation; und weiter:

»Das Ergebnis: Weder der Laie noch (oft sogar) der Mediziner sind in der Lage, sich bei der Unmenge von Daten zum Cholesterin ein vollständiges und klares Bild zu verschaffen.«

Wenn also selbst ein Spezialist wie Martinez schreibt: „oft sogar der Mediziner“, zeigt das, wie notwendig fachlich fundiertes Wissen auf Ärzte- und Patientenseite ist. Oder hätten Sie gewusst, dass die einfache Formel „niedriges Cholesterin = hohe Gesundheit“ in dieser Form nicht mehr gilt?

Woher kommt Cholesterin?

Wie kam man dem Cholesterin als „Killer Nummer 1“ auf die Spur? Martinez schreibt dazu: „Anfang der 1960-er Jahre, als der Wohlstand in den industrialisierten Ländern bereits einige Zeit bestand, entwickelten sich Herzerkrankungen, besonders der Herzinfarkt, zum Hauptfeind der Gesundheit und zur Todesursache Nummer eins.“

Martinez fügt eine erschreckende Tatsache an: „Aktuell gehen genauso viele Todesfälle auf das Konto von Herzinfarkten und Schlaganfällen wie die in der Statistik nachfolgenden vier Todesursachen (Krebserkrankungen, Lungenkrankheiten, Unfälle, Demenz) zusammen.“ Ursachen dafür: „Ein Grund war und ist, dass früher Bewegung garantiert war, Nahrung nicht – während heute Nahrung garantiert ist, Bewegung aber nicht.“

1934: Cholesterin wird im Blut nachgewiesen

Das Jahr 1887 ist für die Medizingeschichte ein denkwürdiges Jahr: Zum ersten Mal konnte der englische Physiologe Augustus Desiré Waller die Herzströme sichtbar machen mit Hilfe eines Vorläufers des EKG, des Elektrokardiogramms. Das manchmal dramatische, bisher aber stets unsichtbaren Geschehen im Herzen, es bekam ein Gesicht. Etwa ab 1920 gelangen dann die ersten Diagnosen des Herzinfarkts.

Ende der 40-er Jahre des 20. Jahrhunderts stieg in den Industrienationen, allen voran in den USA, die Zahl der Herzinfarkte. Fieberhaft wurde nach Gründen gesucht. In Framingham, einer amerikanischen Kleinstadt im Staate Massachusetts, wurden die Forscher fündig. Hier begann 1948 die systematische und über zwei Generationen dauernde Untersuchung der Gründe, die möglicherweise zu Herzinfarkt führten. 1961 gelangte Cholesterin in die Liste der Risikofaktoren.

Cholesterin kennt man seit 1934, genauer: Seit 1934 konnte man die Cholesterinhöhe im Blut messen. Und als es nach dem II. Weltkrieg ans Aufräumen ging und an das, was wir heute als Globalisierung bezeichnen (die Eroberung und Ausbeutung der Welt durch den Menschen)

Und schließlich wurde ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Herzinfarkt und der Cholesterinhöhe gesehen. Die Euphorie war entsprechend groß.

In den Medien verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Man hatte den Schuldigen gefunden. Und sofort tauchte die Vermutung auf: Wenn viel Cholesterin lebensbedrohlich ist, müsste man eben den Anteil an Cholesterin im Blut senken, und alles sei bestens.

Eine verständliche Schlussfolgerung. Und eine falsche dazu – zumindest eine, die nicht ganz korrekt ist, denn wo das Geschäft blüht, bleibt die Vernunft oft auf der Strecke. Und cholesterinsenkende Mittel entpuppten sich als ein Milliardengeschäft für die Pharmaindustrie.

Es folgten Empfehlungen, wie der Spiegel gesenkt werden kann. Ungereimtheiten wurden verschwiegen, man wollte keine Zeit verlieren mit Untersuchungen, während gleichzeitig der Infarkt Leben vernichtete. Man tat so, als ob unumstößliche Beweise vorlägen für die Hauptschuld des Cholesterins an der Verbreitung von Herzinfarkt und Arterienverkalkung (Arteriosklerose, auch Atherosklerose geschrieben). Dem aber war nicht so.

Was praktisch nie diskutiert wurde, waren die Widersprüche der Untersuchungen. Bei den über 50-Jährigen beispielsweise stimmten die Zusammenhänge nicht mehr, die für jüngere Menschen galt. Merkwürdig auch: Die Framingham-Studie zeigte, dass mit steigendem Cholesteringehalt im Blut die Herzinfarkte häufiger auftreten – was nicht beweisen werden konnte, war, dass eine Senkung des Cholesterinspiegels die Lebenserwartung erhöhte.

Nicht ganz unproblematisch: die medikamentöse Behandlung bei Cholesterin

Martinez weist darauf hin, was neue Erkenntnisse zeigen: Die früher allgemein akzeptierten Empfehlungen sind unwirksam, ja teilweise sogar schädlich! Aus heutiger Sicht kann die lange Zeit propagierte kohlenhydratreiche und fettarme Ernährung nicht mehr empfohlen werden – gesättigte Fette in der Nahrung erhöhen den Cholesterinspiegel stärker als das Cholesterin in der Nahrung selbst!

Und auch die medikamentöse Behandlung warf Probleme auf, weil das Cholesterin ein sehr komplexes Gebiet ist. Martinez macht das deutlich an den stetig gesunkenen Normwerten des Cholesterinspiegels von 300 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) in den 60-er Jahren auf heute unter 200 mg/dl!

Natürlich gab es weitere Studien. In Finnland wurden die Menschen untersucht, in den USA wurde die Framingham-Studie fortgesetzt, in Deutschland gab es die PROCAM-Studie. Martinez beschreibt die Fakten:

  • Framingham-Studie: Eine Verbindung zwischen Cholesterin und Herzinfarkt konnte nicht für jede Altersgruppe festgestellt werden.
  • MRFIT-Studie (USA): Wenn man das Cholesterin mit Hilfe der Ernährung senkte, erhöhte das nicht die Lebenserwartung.
  • PROCAM-Studie: Auch hier passte die hohe Sterblichkeit bei niedrigem Cholesterin nicht ins Bild.

Als 1987 mit den Statinen eine neue Medikamentengruppe auf dem Markt erschien, war die Hoffnung groß. Tatsächlich konnten diese Medikamente einen Cholesterinspiegel um bis zu 60 % senken. Für die Sterblichkeit bedeutet das einen Rückgang um 1,2 % – zumindest, wenn die Kranken mit dem Medikament Simvastatin behandelt wurden. Ohne eine Behandlung mit Simvastatin waren 6,9 % der Betroffenen gestorben, bei der mit dem Medikament behandelten Gruppe waren es 5,9 %.

Und auch auf die Gesamtlebenserwartung schien sich die Gabe der neuen Medikamente segensreich auszuwirken: Sie war bei jenen Menschen, die mit einem der modernen Statine behandelt worden waren, um fast 2 % höher: Eine vielleicht niedrig klingende Zahl – aber für jeden einzelnen Menschen eine segensreiche Nachricht!

WAS DER BESTSELLER Bittere Pillen SAGT

Unter der Überschrift „Cholesterinsenker – fragwürdiger Nutzen“ schreiben die Autoren des Standardwerks „Bittere Pillen“:

„Ein Team von Ärzten aus Neuseeland und England hat vor kurzem untersucht, ob eine solche Behandlung der Patienten im Alter von 70 bis 82 Jahren auch die Lebenserwartung erhöht. (gemeint ist Behandlung mit Statinen; die Redaktion)

Überraschendes Ergebnis: Die Patienten starben zwar seltener an Herz-Kreislaufproblemen, dafür erhöhte sich jedoch die Zahl der Krebserkrankungen. Insgesamt ergab sich – gemessen an der Zahl der Todesfälle – keine Veränderung!

Schlussfolgerung der Mediziner: Man sollte sich gut überlegen, ob bestimmte Behandlungen überhaupt sinnvoll sind. Denn möglicherweise verlagert man einfach nur die Todesursache – von einer Herzerkrankung zu einer Krebserkrankung oder Demenz.“ (aus: Bittere Pillen. Nutzen und Risiken der Arzneimittel. 2008—2010; 78. Auflage. Kiepenheuer & Witsch)

Zur Beachtung
Die Informationen auf dieser Seite sind sorgfältig ausgesucht und nach bestem Wissen zusammengetragen worden. Bitte beachten Sie aber, dass die hier genannten Hinweise natürlich nicht den Rat einer erfahrenen Fachkraft ersetzen. Im Falle von Beschwerden gilt also immer: Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!

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