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Pflegedienst: Kosten die Patienten zu viel Zeit?

Pflegedienst: Kosten die Patienten zu viel Zeit?

Wie so oft beeindruckt das Statistische Bundesamt auch am 22. August mit einer Pressemitteilung voller Prozentangaben und Zahlen. Wenn man die Zahlen aufdröselt, ergibt sich ein düsteres Bild, weitab von Emotion: Der Pflegedienst kostet – am meisten aber kostet er die Patienten und die Beschäftigten.

Hoher Personalschlüssel: Garant für Qualität?

Wer eine Kreuzfahrt bucht, lässt sich gerne beeindrucken von einer Zahl aus dem Marketing. Dabei geht es nicht um die Länge des Schiffs, nicht um die Anzahl der Decks, Kinos, Swimmingpools oder um die Höhe der Schiffsschrauben – nein, wirklich wichtig ist ausschließlich das Verhältnis von Anzahl der Passagiere zur Zahl der eifrigen Diener: Je mehr Bedienstete pro Passagier, so die Vermutung, desto luxuriöser geht es an Bord zu.

Gehen wir „auf Kreuzfahrt“! Schauen wir, ob Patienten an Kliniken damit rechnen können, verwöhnt zu werden.

Stattliche Zahl an Patienten und Pflegekräften in deutschen Kliniken

2013 wurden knapp 18,8 Millionen Patientinnen und Patienten stationär im Krankenhaus behandelt, das waren 0,9 % mehr als im Jahr zuvor …“,

heißt es in der Meldung des Statistischen Bundesamts. Interessanter aber scheint die zweite Zahl:

Rund 865.000 Vollkräfte … versorgten 2013 die Krankenhauspatientinnen und – patienten … darunter 316.000 Vollkräfte im Pflegedienst.

Was lässt sich aus diesen Informationen auslesen?

Balance zwischen Pflegebedarf und Angebot in deutschen Kliniken

Inhaltliche Fragen lassen sich kaum mit quantitativen Methoden beantworten – die Frage nach der Güte einer Versorgung im Krankenhaus hat nichts zu tun mit der Zeit, die den dafür Zuständigen bleibt. Daran, um im Sprachbild zu bleiben, „krankt“ möglicherweise die folgende Berechnung, bei der es um eine Antwort auf die Frage geht:

Wie viel Zeit hat das Pflegepersonal in deutschen Kliniken pro Patient, auf der Basis der Zahlen des Statistischen Bundesamts? Wie verhalten sich Angebot und Nachfrage in deutschen Kliniken im Vergleich?

Pflege kostet!

18.800.000 Millionen Patienten pro Jahr. Mit anderen Worten: Jeden Tag des Jahres 2013 wurden 51.500 Menschen in deutschen Krankenhäusern stationär versorgt (18,8 Mio geteilt durch 365 Tage).

Demgegenüber stehen 316.000 Vollkräfte im Pflegedienst. „Vollkräfte“ heißt: die auf die volle tarifliche Arbeitszeit umgerechneten Beschäftigten; zwei Halbtagskräfte ergeben beispielsweise eine Vollkraft.

Vollkräfte in Krankenhäusern des öffentlichen Dienstes arbeiten wöchentlich 38,5 Stunden. Auf diese Weise summieren sich die Stunden des Pflegedienstes zur stattlichen Zahl von 1.738.000 Stunden pro Tag!

Auf den ersten Blick kein ungünstiger Schlüssel für die Kosten im Pflegedienst

Pro Tag müssen 51.500 Patienten versorgt werden. 24 Stunden lang – wenn auch nicht in jeder Sekunde. 51.500 multipliziert mit 24 ergibt 1.236.000 Stunden.

Fazit: 1.236.000 Stunden (potentieller) Pflegenachfrage pro Tag steht ein Angebot gegenüber von 1.738.000 Stunden Pflege in Deutschlands Kliniken. Das entspricht einem Verhältnis von 1 zu 1,4: Eine Stunde Pflegenotwendigkeit auf der einen – knapp eineinhalb Stunden pflegerische Zuwendung auf der anderen Seite.

Kann man angesichts dieses Verhältnisses wirklich von Pflegenotstand sprechen?

Effizienz in der Pflege: Kosten, die am Patienten vorbeigeleistet werden?

„Keinesfalls“, sagt die Pflegedienstleitung. „Und ob!“ antwortet die Schwester auf Station, protestiert der Krankenpfleger, erlebt der Patient. Die Verhältniszahl 1:1,4

  • sagt nichts darüber aus, wie viel Zeit tatsächlich für den Patienten bleibt.
  • sagt nichts darüber aus, dass die Patienten unterschiedlich intensiv betreut werden müssen (Beispiel Pflegestufen I bis IV)
  • klammert völlig aus, dass Krankenschwestern und -pfleger krank werden. Häufige Krankheitsgründe: Überlastung, Burn-out
  • sagt nichts darüber aus, dass vielerorts Krankenhäuser bereits um 16 Uhr oder 18 Uhr ihre Pforten schließen und ab dieser Uhrzeit keine Notfälle mehr annehmen; bei diesen Krankenhäusern bleibt der Pflegebedarf erhalten – bei den Krankenhäusern ohne Sperrzeit aber nimmt er dramatisch zu.
  • sagt nichts darüber aus, dass patientenferne Aufgaben Arbeitszeit fressen:
  • Gespräche mit Angehörigen
  • Visiten und Gespräche mit den Ärzten
  • Protokollieren der Pflegarbeiten
  • Vorbereiten der Entlassung (oftmals verbunden mit anspruchsvollen organisatorischen Aufgaben für die nachklinische Versorgung, sprich: Altersheim oder Pflege zu Hause)

Wie sieht die Wirklichkeit wirklich aus? Schreiben sie uns

Das Verhältnis, das auf den ersten Blick nicht einmal schlecht erscheinen mag, kippt also sofort, wenn man von der quantitativen auf die qualitative Ebene wechselt. Uns von sanawiki interessiert es zu erfahren:

Haben Sie persönlich es schon einmal erlebt, dass Sie selbst, ein Angehöriger, ein Freund, eine Freundin im Krankenhaus nicht oder nur unzureichend versorgt werden konnten (nicht in medizinischer Hinsicht)?

Arbeiten Sie vielleicht selbst in einer Klinik und leiden unter der Belastung? Schildern Sie uns Ihre Geschichte. Wenn Sie mögen, natürlich auch anonym. Falls Sie mehr zu berichten haben: Schreiben Sie uns. Wir tragen keinerlei Information ohne Ihr Einverständnis nach außen!

 

Links und Quellen:

Meldung des Statistischen Bundesamts im Original (pdf-Datei)

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