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Der Spaziergang – Balsam für die Gesundheit

Der Spaziergang – Balsam für die Gesundheit
Nichts, was wir tun, bewahrt uns vor dem Tod. Aber auf den Verlauf des Weges, der uns ans Lebensende führt, haben wir gehörigen Einfluss. Ein Plädoyer für mehr Bewegung!
Der Doktor fordert es, die Krankenkassen fördern es, das schlechte Gewissen verlangt es: mehr Bewegung! Gedanken, warum Bewegung so wichtig ist, und was Sie selbst tun können.

Als sein Herz Probleme machte, ging Arne K. zum Arzt (Name von der Redaktion geändert).

Der 45-jährige Grafiker ahnte, woher die Probleme rühren konnten. Kurz zuvor war er mit den Kindern aus einer Ehe geflüchtet, in der er sowohl Vater- als auch Mutterrolle hatte übernehmen müssen. Sein Chef hatte ihm gekündigt, auf den Ämtern bekam er mehr Steine als nötig in den Weg gelegt – alleinerziehende Väter waren zu seiner Zeit die puren Exoten –, und schließlich hatte ihm seine Ex-Frau gedroht: Sie denke an eine Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs der gemeinsamen Tochter: „Lisa zeigt deutlich sexualisiertes Verhalten“, hatte sie geflötet.

In diesem Moment schlug das Herz Alarm.

Kinder zerren an uns, Freunde und Partner ziehen an uns. Chefs schieben und (unter-)drücken uns. Ein einzig Gezerre und Geschiebe.

Und manchmal machen wir selbst auch mit: Wir kehren den Spieß um. Werden unleidlich, zickig, unaufrichtig. Wir mobben, spielen Spielchen.

K. misstraute Ärzten. Seiner Erfahrung nach arbeiteten die Schulmediziner mechanisch, nahmen sich zu wenig Zeit für die echten Sorgen ihrer Patienten und verordneten Therapien von der Stange. Die 300 Euro in seinem Sparstrumpf wollte er besser anlegen: K. verabredete einen Termin in einem nahegelegenen Zentrum chinesischer Ärzte.

Man kann zusammenfassend sagen: Wir stehen unter Druck. Druck von außen und selbstauferlegten.

Wie wir mit diesem Druck umgehen, ist eine Sache des Naturells, der Konstitution und der Erfahrung. Es gibt Menschen mit einer dicken Haut, es gibt solche, die nichts umschmeißt, und es gibt jene, die sich ein (vermeintlich) günstiges Verhalten anerzogen haben.

Immer aber gibt es diesen Druck. Und der kann überhand nehmen.

In seiner ersten Sitzung saß K. einem Mann gegenüber, der ihn an einen chinesischen Buchhalter aus einem amerikanischen Krimi erinnerte. Undefinierbares Alter, grauer Anzug, Gesichtsrunzeln wie der Grand Canyon, die Fingerspitzen aneinandergelegt, Ellbogen auf den Lehnen seines Sessels, blanke Augen, die nichts verrieten. K. begann zu erzählen.

Druck braucht ein Ventil, sonst platzt der Kessel. Und manchmal platzt er tatsächlich: Eine Arterie, die dem Druck nicht mehr standhält, reißt. Schlaganfall oder Infarkt sind die Folge.

Es heißt also, den Druck abzubauen oder ihn umzulenken.

Der Arzt hörte zu, stellte Fragen, trat hinter K., betastete seinen Kopf, fühlte den Puls, maß den Blutdruck, klopfte hier, klopfte da und setzte sich wieder in seinen Sessel.

Schul- und Komplementärmedizin finden hilfreiche Antworten. Es gibt die Blutdrucksenker und die Psychopharmaka, es gibt die Bachblüten, die Homöopathie und die Körpertherapieverfahren (Osteopathie zum Beispiel).

Und es gibt die Medizin, die in jedem einzelnen von uns schlummert.

Der Bleistift ruckte über das Papier, der Arzt schrieb eine Verordnung. K. sollte zehn Akupunktur-Behandlungen bekommen und ein paar Moxa-Therapien.

Aber noch etwas sei wichtig …

Betroffene zu Beteiligten machen

Gott sei Dank!, mag man sagen, unterstützen Krankenkassen mittlerweile die Erkenntnis, dass jeder Patient selbst ein Heiler sein kann. Dass es mehr gibt, als nur zum Arzt zu gehen – dass der Patient ganz wesentlich durch sein Verhalten Heilung fördern kann. Und sie beteiligen sich an allerlei Programmen, an denen der Patient für seine Gesundheit teilnimmt.

„Haben See in Nähe?“, wollte der kleine Chinamann wissen. K. verneinte. Mit einem Wald könne er dienen. „Gut“, sagte der Arzt. „Jeden Tag spazieren gehen. Machen eine Stunde.“

Von nun an ging K. täglich eine Stunde spazieren. Und um eine lange Geschichte nicht ausufern zu lassen: Die Beschwerden, deretwegen er den chinesischen Arzt aufgesucht hatte, sie legten sich.

Bewegung ist das Gegengewicht zu Fremdbestimmung. Ist ihr Gegenteil.

„Es war die Zeit mit mir allein, die mich wieder ins Lot brachte“, sagt K. heute im Interview. „Es war etwas Luxuriöses: eine Stunde am Tag ganz für mich allein. Ohne irgendeinen Anspruch. Einfach nur gehen.“

K. ist sich sicher, dass die Anspruchslosigkeit des Spaziergangs den Druck senkte, der in seinem Leben herrschte.

Die Probleme, die er hatte, der fehlende Job, der Stress mit seiner Ex-Frau, der Alltag mit den Kindern – nichts war verschwunden, alles war noch vorhanden. Hervorgetreten aber war etwas viel Wertvolleres: K. hatte im Spaziergang, in der täglichen Bewegung eine Begegnung mit sich selbst erlebt.

Warum spazieren gehen heilsam ist

Bewegung setzt etwas in Gang! Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, dass nur wir es sind, die sich in Gang setzen. Dass es unser Körper ist, der sich bewegt, der bewegt wird.

Auch in uns drin löst Bewegung etwas aus. Der Spaziergang macht uns geschmeidig. Mit enormer Nebenwirkung: Als erstes verbessert sich unsere Fitness – spazieren gehen macht uns fitter!

Zugleich werden wir entspannter. Diese Entspannung wirkt auf unsere Seele. Wer sich beim Spazierengehen, bei der Bewegung nicht selbst mit Aufgaben belastet, der hat gar keine andere Chance, als sich zu entspannen (und mit der Zeit vielleicht sogar zu gesunden).

Spazierengehen ist die Technik des Loslassens, in Bewegung umgesetzte Technik des Loslassens. Mit dem paradoxen Effekt, dass dann manchmal die Dinge auf einen zukommen! Losgelöst von Erwartung und Anspruch, purzeln wie von selbst Lösungen herbei für Probleme, die uns beschäftigen, für Dinge, die uns belasten.

Kann man mehr erwarten, mehr verlangen von einer Sache, die keinerlei Investition bedarf und direkt, unmittelbar vor unserer Haustür beginnt?

Sophie: Geh’n wir spazieren!
Alex: Spazieren?! Was – jetzt?
Sophie: Jaaa … auf der Straße sieht man Dinge, und … ich weiß auch nicht, hört man Dinge … isst Dinge … das macht alles irgendwie die Gedanken frei.

(aus der hinreißenden Liebeskomödie Mitten ins Herz – ein Song für dich mit Drew Barrymore als Sophie Fisher und Hugh Grant als Alex Fletcher)

WAS IST DAS: die Moxa-Therapie?

Die Moxa-Therapie gehört neben der Akupunktur zu den wichtigsten Therapien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Der Fachbegriff lautet Moxibustion.

Ihren Namen hat die Therapie von der Heil- und Gewürzpflanze Beifuß (Moxa). Bei der Moxa-Therapie verglimmen kleine, meist zusammengerollte Mengen getrockneter Fasern des Krauts über oder auf Meridianen. (Meridiane sind nach der chinesischen Lehre Leitbahnen im Körper, in denen die Lebensenergie fließt.)

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