3D-Drucker bildet menschliche Körperteile exakt nach
Klingt wie Science-Fiction, ist aber Realität und in Mainz sogar Alltag! An der hiesigen Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) produzieren Mediziner individuelle dreidimensionale (Patienten-)Modelle aus dem 3D-Drucker!
Mit Hilfe des 3D-Druckverfahrens entstehen realitätsgetreue Abbildungen selbst kleinster anatomischer Strukturen, zum Beispiel eines fein verästelten Knochengewebes. Die Modelle erleichtern den Medizinern die Planung von schwierigen Operationen bei durch Tumorleiden bedingten Kiefer-, Kopf- oder Gesichtsrekonstruktion. Die Vorbereitungen werden am lebensechten Modell geplant und könnten sogar in Grundzügen geprobt werden. Auch Transplantate werden nun viel präziser angepasst. In Mainz sieht man das als enormen Schritt hin zu einer immer stärker individualisierten Medizin.
Ausgangspunkt ist immer ein bildgebendes Verfahren. Per Computertomographie (CT), Röntgen oder Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich exakte Modelle erstellen und damit exakte Schablonen dreidimensional drucken. Die Modelle sind, wie es beim MKG heißt, „patientenspezifisch“, also individuell: Sie stammen vom betroffenen Patienten.
Dreidimensionales Modell und Abbildung der virtuellen Planung einer Kiefernrekonstruktion.
© Bildquelle: Peter Pulkowski, Universitätsmedizin Mainz
Vorteile des 3D-Druckverfahrens
- 3D-Modelle bringen sowohl für die Patienten als auch für die Mediziner Vorteile:
- Die Operateure kennen ihr Operationsfeld
- Dank optimierter Planung und vorgefertigter Schablonen können die Operateure quasi originalgetreu arbeiten
- Dadurch reduziert sich die Operations- und Narkosezeit für den Patienten, seine Genesung beschleunigt sich
- Funktion und Ästhetik verbessern sich
- Zudem schont das Verfahren Knochensubstanz, umliegendes Gewebe und Zahnfleisch.
3D-Modelle sind für jede Patientengruppe anwendbar, eignen sich jedoch ganz besonders für die Fehlbildungschirurgie und bei Kieferdefekten.
3D-Druck in der Medizin: eine echte Revolution
Man kann die 3D-Drucktechnik als echte technische Revolution bezeichnen. Zunächst nur für die Entwicklung von Prototypen eingesetzt, findet der 3D-Druck inzwischen auch in der Serienfertigung, der Kunst und sogar schon in privaten Haushalten Anwendung.
Für den medizinischen Bereich bietet er herausragende Einsatzmöglichkeiten und birgt die Chance auf völlig neuartige Behandlungsmethoden. Bei einer Kiefernrekonstruktion beispielsweise, bei der ein Stück des Wadenbeins entfernt wird, um die Lücke im Kiefer zu schließen, druckt der 3D-Drucker ein exaktes Modell des Kiefers und des Wadenbeins. Daran kann der behandelnde Arzt die Operation im Vorfeld gedanklich detailgetreu durchspielen. Die Rekonstruktion wird individuell auf den Patienten abgestimmt – die Planung wird mit Hilfe von Schablonen während der Operation routiniert umgesetzt.
Eine Rekonstruktion auf Basis eines 3D-Modells verkürzt das Operationsverfahren von bisher mehreren Wochen auf nur noch vier Tage.
Ihn freut es ganz besonders, dass mit dem Einsatz des 3D-Druckverfahrens viele Mosaiksteine aus der Forschung zum Wohle des Patienten zusammenfließen: Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas ist Sprecher des Forschungsschwerpunkts BiomaTiCS – Biomaterials, Tissues and Cells in Science der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Leitender Oberarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, plastische Operationen der Universitätsmedizin Mainz. Al-Nawas sagt:
„Hier gelingt uns der Brückenschlag zwischen Forschung und Anwendung: Der 3D-Drucker ermöglicht uns einerseits kurzfristige und exakte Rekonstruktionsplanungen für unsere Patienten; auf der anderen Seite ist die Verbindung zu anderen BiomaTiCS-Arbeitsgruppen in der Lage, innovative Baumaterialen für Implantationen und Rekonstruktionen herzustellen.“
Jenseits enger Grenzen
Wissenschaftlich interessant ist die 3D-Drucktechnik zudem für den Bereich regenerative Medizin. Deren zentrale Forschungsfrage lautet: Wie interagieren Geweben und Zellen mit körperfremden Materialien und Oberflächen? Noch stellt die Wechselwirkung von künstlichen Implantaten mit dem menschlichen Körper für fast alle chirurgischen Disziplinen eine große Herausforderung dar. Denn sowohl eine zu schwache oder fehlende Anhaftung der Implantate als auch Abwehrreaktionen des Körpers können den Behandlungserfolg beeinträchtigen: Künstliche Gelenke, Herzschrittmacher, Gefäßprothesen oder Zahnersatz sind in erster Linie für den Körper Fremdmaterialien, gegen die er sich (manches Mal sogar recht heftig) zur Wehr setzt.
Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten. Rund 3.300 Studierende der Medizin und Zahnmedizin werden in Mainz ausgebildet. Mit rund 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Universitätsmedizin zudem einer der größten Arbeitgeber der Region.
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