Mit Zitrone und Knoblauch gegen Verkalkung?
Sieben Zitronen, 30 Knoblauchzehen und zwei Liter Wasser! Diese simplen Zutaten sollen ein lebensbedrohliches Problem beheben: das der Verkalkung der Gefäße. Die Meldung: Presst man die Zitronen und den Knoblauch, kocht daraus einen Sud und seiht ihn ab, so erhält man, behauptet die Nachricht, ein Getränk mit unglaublicher Power.
Zum ungezählt wiederholten Mal (knapp 16.000 mal allein Facebook geteilt; Stand Anfang April 2015) wird eine auf den ersten Blick nicht unvernünftig erscheinende Nachricht verbreitet: Wer täglich zur Hauptmahlzeit ein Schnapsglas der Rezeptur trinke, verspüre „schon nach drei Wochen … eine jugendliche Regeneration … des ganzen Körpers.“ Was ist dran an der Meldung?
Informationsbrocken zusammentragen und bearbeiten
Es gibt mindestens zwei Wege, den Wahrheitsgehalt dieser Meldung zu überprüfen: den empirischen und den kurzen. Drei Wochen lang eine Knoblauchtinktur zu trinken kommt für mich erst einmal nicht in Frage, ich wähle den kurzen Weg und analysiere den Beitrag.
Eine Recherche führt zu einem Ergebnis
Die Meldung kommt über einen Facebook-Kontakt rein. Sie ist zuvor geteilt worden und nennt als Absender, als Urspungsaccount, eine Layana Engel. Layana Engel selbst arbeitet angeblich bei layana-engel.de, doch diese Adresse steht zum Verkauf. Kein gutes Zeichen. Am Ende der Meldung, am Ende der „Rezeptur“, taucht ein Name auf: Dr. Steinhagen. Unmittelbar darüber ein Satz, der den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Zitat von Dr. Steinhagen: „Bad Oeyenhausen hat eine weltweit anerkannte Herzklinik mit vielen Transplantationen und dieses Rezept hat sich bei uns sehr bewährt.“ Und weiter: „von Dr. Steinhagen, KARDIOLOGE in Bad Oeynhausen“. Höchste Zeit für einen Anruf beim Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen (HDZ). Wäre doch schön, wenn ich den Doktor selbst an die Strippe bekäme (oder sagt man heute: an die Funkstrecke?). Schon in der Presseabteilung des HDZ endet die Anfrage. Ich habe kaum mehr als meinen Namen genannt und den Grund meines Anrufs angedeutet („Gibt es bei Ihnen einen Dr. Steinhagen?“), als Kerstin Konze lacht auflacht: „Ist diese Meldung also wieder einmal unterwegs?“, fragt die stellvertretende Leiterin der Abteilung. Und nein, sagt sie noch, im HDZ gab es keinen und gebe es keinen Dr. Steinhagen; weder ist das HDZ Urheber der Rezeptur noch ein (vermutlich auch sonst gar nicht mal existierender) Arzt des Hauses. Apropos „existent“: In der englischen Version der Meldung heißt Dr. Steinhagen „Dr Stein Hagen“ – ganz so, als ob Hagen sein Vorname sei. Auch für diesen Namen finde ich keinen Nachweis. Schließlich noch suche ich nach dem Ursprung bzw. dem Rechteinhaber des beredten und schönen Photos – vergeblich. Und nun?
Nicht vertrauenswürdiger Status
Dass es keinen Dr. Stein oder Steinhagen gibt im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen, kratzt zwar an der Glaubwürdigkeit der Meldung, ihren Inhalt aber diskreditiert sie erst einmal nicht. Kann eine Rezeptur aus Wasser, Zitronensaft und Knoblauch den Kalk und die Ablagerungen in den Gefäßen auflösen und ausschwemmen? Die Google-Suche nach „Zitrone, Knoblauch, Kalk“ liefert 27.000 Ergebnisse – auf den ersten zehn Seiten keines jener Art, die ich als verlässlich einstufe. Alles nur Wiederkäuer. Selbst ein Dr. Med. Kai Lühr schwört auf die Rezeptur, gibt allerdings auch zu, dass auch er keinen Originalautor gefunden hat.
Auf zum Selbstversuch!?
KISS! Keep it simple & stupid! Mir scheint die Geschichte eine urban legend zu sein, eine moderne Sage. Eine Variante von Hans Christian Andersen Märchen „Des Kaisers neue Kleider“: Man sieht etwas, was gar nicht vorhanden ist. Um herauszufinden, ob dem tatsächlich so ist, sollte ich einen Selbstversuch wagen – schaden können Zitrone, Wasser, Knoblauch höchstens meiner Umwelt. Denn dass der Knoblauch nicht zu riechen sei, das glaube ich nicht. PS: Wer von den geneigten Lesern da draußen Zugriff hat auf Bald’s Leechbook, möge bitte nachschauen, ob die Rezeptur in jener altenglischen medizinische Handschrift aus dem 9. Jahrhundert auftaucht. Ein ganz ähnliches Rezept gegen Augenkrankheiten wird dort zumindest vorgestellt.
Hallo, nachdem ich zum ersten Male im Leben erhöhte Cholesterinwerte hatte und beim EKG leicht auffällige Störung habe ich mich für diese Kur entschieden, die ich schon seit Jahren kenne.
Nun bin ich in der Wiederholung, also 5. Woche.
Mag beim Kochen und Essen normal keinen Knobi. Aber schaden kann es ja nun wirklich nicht.
Anschließend werde ich meine Blutwerte noch einmal kontrollieren lassen. Auch das EKG noch einmal wiederholen.
Bin übrigens 58 Jahre. Seit meiner Jugend Bluthochdruck unter Behandlung. Sonst bisher ganz gesund und schlank.
Mein Sohn sagt er riecht es übrigens und findet es eklig.
Na die nächsten zwei Wochen gehen auch noch rum!
Mit freundlichen Grüßen
Petra
Sehr geehrte Frau Gasparini,
ich danke Ihnen, dass Sie sich auf meinen Artikel melden und Ihre Erfahrung schildern.
Es liegt mir fern, Ihre Erfahrung anzuzweifeln – jedes Leben nimmt seine eigenen Wege –, und natürlich kann es nicht die Absicht des Beitrags sein, sich über solche Dinge zu erheben. Trotzdem, es bleibt ein unangenehmer Beigeschmack (der in diesem Fall nicht vom Knoblauch herrührt).
Wer heilt, sagt das Sprichwort, hat recht. Aber darum geht es in diesem Fall nicht. Informieren, damit ich entscheiden kann, so lautet das Motiv meiner Arbeit als Medizinredakteur. Die Knoblauch-Zitronen-Diät krankt vor diesem Hintergrund an einer Sache, und die habe ich beschrieben: Es gibt keine validen Untersuchungen – im Gegenteil! Wer immer den Erfolg dieser Diät propagiert und auf Facebook vielhundertfach liked, nennt keinen Beleg, ja, er führt sogar nichtexistente Mediziner ins Feld als Beleg. Das schadet der Sache. Nicht mehr und nicht weniger habe ich zum Ausdruck bringen wollen.
ich wünsche jedem (und in diesem Fall ganz besonders Ihnen persönlich) ein Leben frei von Krankheiten!
Alles Gute!
Hallo Petra,
gibt es eine Fortsetzung ihres Beitrages bzw. können Sie uns eine Erfahrung mitteilen? Gespannt warten wir 😉