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Ohne Rezept: Wie Konsumenten getäuscht werden

Ohne Rezept: Wie Konsumenten getäuscht werden

Sie unterliegen einem strengen Reglement: die Produktion und Werbung von Lebensmitteln, von Kosmetika und von Arzneimitteln, die auf natürlichen (Pflanzen-)Stoffen basieren. Und trotzdem läuft einiges schief – die Verbraucher werden getäuscht! Ursache dafür sind der Rechtsübergang von einem ins andere Land und die Lücken der Gesetze. Ausbaden müssen es (wie so oft) die Konsumenten. Verbraucher bezahlen viel Geld für kaum oder nicht wirksame Mittel, selbst eine Gefährdung ist niemals ausgeschlossen.

Produkte auf Naturbasis, also auf Basis natürlicher Stoffe, gibt es in flüssiger, in halbfester oder in fester Form.
Wenn diese Produkte flüssig sind oder fest, handelt es sich um Arznei oder Lebensmittel; sind sie halbfest (Salben, Cremes etc.) handelt es sich um Arznei oder Kosmetika.

Welcher Art das Produkt im Einzelfall ist, ob Arznei, Lebensmittel oder Kosmetikum, darüber entscheidet die Rechtsprechung der einzelnen Länder. Und sie entscheidet sehr unterschiedlich.

Wie es sein sollte. Wie es sein könnte

Das hat zu widersprüchlichen Situationen und Grauzonen geführt und wird von den den Herstellern ausgenutzt – nicht immer im transparenten Sinn und schon gar nicht in der Absicht, dem Endkunden ein wirklich hilfreiches Produkt anzubieten.

Die Situation eröffnet andererseits die aufregende Aussicht auf Produkte mit

  • konkurrenzloser Qualität
  • von offizieller Seite zertifizierter Qualität
  • unzweifelhaft dokumentiertem Nutzen für den Endkunden.

Die folgende Studie beschreibt die aktuelle Situation bei der Produktion und Vermarktung von Arznei- und Lebensmitteln und Kosmetika auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt. Sie führt zu dem (naheliegenden) Schluss, es richtig zu machen, das heißt:

  • qualitativ hohe und durch offizielle Zertifikate belegte Extrakte herzustellen;
  • diese tatsächlich wirksamen Extrakte als Basis zu nutzen für tatsächlich wirksame Produkte;
  • den Verbraucher durch geeignete Maßnahmen zum Kauf besserer Produkte anzuregen.

Noch aber fehlt ein Produzent, der diese Tatsache zu seinen Gunsten und zum Vorteil der Verbraucher in die Tat umsetzt!

Die Situation auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt

Pflanzliche Produkte in den USA

In den USA gelten pflanzliche Produkte grundsätzlich nicht als Arzneimittel. Sie werden rechtlich als Lebensmittel eingestuft, angeboten werden sie als Food supplements oder Dietary supplements.

Die Wirkungsversprechen sind fiktiv, es gibt keinerlei Wirkungsnachweis außer den für klassische Lebensmittel erforderlichen Prüfungen!

Halbfeste pflanzliche Produkte in Europa

Pflanzliche Produkte in halbfester Form unterliegen in Europa denselben Anforderungen vor einer Zulassung als Arznei, wie sie bereits oben geschildert wurden. Sie gelten danach als vollwertige Arzneimittel und können entsprechend beworben werden im Zuständigkeitsbereich des europäischen Arzneibuches (somit auch z. B. in der Türkei).

Weiterhin dürfen derartige Produkte in Europa auch als kosmetische Produkte vermarktet werden.

Realer Markt in Europa

Derzeit kommen große Mengen an pflanzlichen US-Produkten nach Europa – in der Regel ohne Anpassung an die Rechtsnormen der Zielländer!

Die meist kleinbetrieblich strukturierte Branche der europäischen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln befindet sich in einer schwierigen Situation: Sie produziert zunächst rechtskonforme Produkte, prüft sie an Hand der relevanten Kriterien der Lebensmittelgesetze – doch bewirbt sie anschließend mit potentiellen, niemals geprüften Wirksamkeitsaussagen.

Die Hersteller täuschen rechtswidrig einen Nutzen vor in gesundheitlicher oder therapeutischer Hinsicht. Die Gründe dafür mögen im Konkurrenzdruck begründet sein oder in einer Unwissenheit; unterstützt wird das Verhalten durch mangelnde behördliche Kontrolle.

Die wissenschaftlichen Anforderungen für eine EFSA-Zulassung sind extrem hoch (die EFSA ist die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit). Die Hersteller zahlen lieber die Kosten für eine (seltene) zivilrechtliche Abmahnung, statt die teure Zulassung zu finanzieren.

Vor diesem Hintergrund werden Produkte angeboten ohne Wirkungsnachweis oder Beleg der Zusammensetzung – aber inklusive Wirkbehauptung und Heilsversprechen (… und führen letzten Endes selbst in ansonsten korrekten Berichten zu der Behauptung, dass, wer sich vegan ernährt, oft Nahrungsergänzungsmittel benötige).

Bei kosmetischen Produkten steht der pflegende Charakter rechtlich im Vordergrund. In der Realität aber wird heutzutage fast jedes kosmetische Produkt mit einer gesundheitsbezogenen Werbeaussage beworben.

Die geltende Kosmetik-Verordnung wurde zwar in den letzten Jahren verschärft, aber ein Verbot gesundheitlicher Aussagen wie im Lebensmittelrecht existiert hier nicht – ein Freibrief für jegliche Heilsversprechen, da der Nachweis nicht geführt werden muss. Die Parallelen zum Lebensmittelrecht sind offenkundig!

Zusammensetzung der Produkte

Aus Kosten- und Rentabilitätsgründen werden heutzutage die allermeisten Produkte aus Halbfertigprodukten gefertigt.

Im Zusammenhang mit pflanzlichen Gesundheitsprodukten sind dies typischerweise Extrakte. Extrakte sind somit existentielle Grundlage jeglicher Produktion.

Die Herstellung von Extrakten aus pflanzlichen Rohstoffen erfolgt im Bereich der pflanzlichen Arzneimittel (also für den hochpreisigen Apothekenmarkt) in europäischen Spezialfirmen. Extraktionsbetriebe aus Indien oder anderen südostasiatischen Ländern müssen nach europäischen GMP-Standards arbeiten und werden von europäischen Behörden überwacht.

Die rechtlichen Vorgaben sehen keinerlei Kontrolle vor: nicht der Bestandteile und auch nicht einer eventuell real durchgeführten Extraktion für pflanzliche Produkte zur Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln bzw. funktionalen Lebensmitteln erfolgt nicht. Und da die Kontrollen nicht vorgeschrieben sind, werden sie auch nicht durchgeführt.

Hintergründe

Die in Frage stehenden Produkte sind meist als Nahrungsergänzungsmittel deklariert und fallen automatisch unter das Lebensmittelrecht; gesundheitsbezogene Wirksamkeit sieht das Lebensmittelrecht aber nicht vor.

Betrachtet man nun diese Produktgruppe genauer, ergibt sich ein komplett anderes Bild: Selbst eine nur potentielle Wirksamkeit ist ausgeschlossen, weil

  • weder die Wirksamkeit belegt
  • noch das Herstellungsverfahren der Extrakte offengelegt werden muss.

Verschärfend kommt hinzu, dass

  • aus Konkurrenzgründen auf die billigsten Rohstoffe (Extrakte) zurückgegriffen wird;
  • die Extrakte zwar von der möglicherweise richtigen Pflanze hergestellt werden, jedoch mit Hilfe nicht ausreichender Verfahren: Aus Kostengründen und mangels Kompetenz werden billige und damit vielfach ungeeignete Extraktionsverfahren und Lösungsmittel verwendet.

In der Werbung wird aber dann wieder direkt oder indirekt auf die wirksamen Extrakte im pharmazeutischen Kontext verwiesen, was der uninformierte Konsument aber nicht unterscheiden kann.

Ein Beispiel: Wie die Nichtwirksamkeit des Baldrians verschleiert wird

Für Beruhigungs- und Schlaftabletten (Nahrungsergänzungsmittel) auf Baldrianbasis wird nicht der als wirksam belegte europäische, sozusagen „offizielle Baldrian“ eingesetzt, sondern der erheblich günstigere mexikanische Baldrian. Dem mexikanischen Baldrian jedoch fehlen jegliche schlafrelevanten Wirkstoffe/Inhaltsstoffe.

Rechtlich gesehen ist das in Ordnung, denn das Produkt enthält Baldrian. Von vorsätzlicher Täuschung muss man jedoch sprechen, wenn der Vermerk aufgedruckt ist:

»Baldrian wirkt nachweislich bei Schlafstörungen.«

Diese Praxis zieht sich durch viele derartige Produkte, erzeugt aber eine nicht zu unterschätzende Gefährdung: Die Konsumenten vertrauen Produkten, die ungeeignet sind, ja zum Teil erhebliche Gesundheitsrisiken bergen!

Entwicklung im Kosmetik-Markt
Von gut informierten Fachleuten ist zu erfahren, dass auch hier analog zu den Lebensmitteln eine gewisse Strukturierung der Kosmetika in Europa angestrebt wird. Grundsätzlich ähnelt die Situation bei den Kosmetika jener bei den Arznei- und Lebensmitteln.

Neuartige legale Produkt-Positionierung

Es bleibt zu hoffen, dass diese illegale Praxis keine Zukunft hat und mittelfristig enden wird. Wenn ein Produzent die gegenwärtige Situation rechtlich einwandfrei nutzt, wird er Pionierarbeit leisten mit Erfolgsgarantie.

In den Grundzügen ist die Sache recht simpel: Es braucht Produkte

  • auf natürlicher Basis
  • mit gesichertem Wirkstoffanteil
  • ohne Nebenwirkungen und Allergie-Risiken.

Diese Produkte sollten rechtlich einwandfrei vermarktet werden als Nahrungsergänzungsmittel – unter Verzicht auf direkte Wirksamkeitsaussagen. Doch mit Hilfe wissenschaftlich fundierter redaktioneller Begleitung könnte der Unterschied (und somit der Wert des Produktes) klar kommuniziert werden!

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