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Phytotherapie: Heilen mit Pflanzen – so modern wie lange nicht mehr

Phytotherapie: Heilen mit Pflanzen – so modern wie lange nicht mehr
Dass der Amazonas verschwindet, dass die Polkappen schmelzen, dass die Steppen der Erde auf dem Vormarsch sind, hat auch auf die Medizin immensen Einfluss! Mit dem Verlust an Lebensraum gehen Pflanzen verloren mit unbekanntem, manchmal märchenhaftem pharmakologischem Potential. „Die Apotheke Gottes“ ist die grandiose Quelle an Wirkstoffen und Substanzen!
Hexen und Heiler, Quacksalber und Schamanen, Feldscher, Medizinmänner und auch die Apotheker haben sich schon immer der Pflanzen bedient. Phytotherapie, die Heilung mit den Wirkstoffen der Natur, war oft genug das einzige, das ihnen zur Verfügung stand.

Bevor in den Labors der Pharmaindustrie die Chemie Einzug hielt, bevor die Wirkstoffe künstlich erzeugt wurden, basierte die weitaus größte Zahl an Wirkstoffen auf pflanzlichen Extrakten. Die Heilkundigen kochten aus den Pflanzen einen Sud, sie trockneten die Kräuter, sie stellten Cremes her und Salben, und sie drehten Pillen – einzig und allein aus dem, was die Natur ihrer Umgebung für sie bereit hielt: aus Pflanzen und Mineralien.

Viele der heute gebräuchlichen Arzneien haben ihren Ursprung in Pflanzenwirkstoffen. Das weltweit wohl bekannteste Medikament, das Aspirin® und seinen Wirkstoff Acetylsalicylsäure, kannte man bereits im alten Griechenland – natürlich aber nicht als Pille. Bei den Griechen (und man darf vermuten: überall auf der Welt, denn die Weidenrinde wächst in nahezu jeder Klimazone); bei den Griechen also wusste man um die schmerzstillende, fiebersenkende, antirheumatische und harntreibende Kraft der Weidenrinde. Auch Kelten und Germanen gewannen aus gekochte Weidenrinde jene Extrakte, die der synthetisch hergestellten Acetylsalicylsäure verwandt sind.

Phytotherapie, Heilen mit der Kraft der Pflanze, war über die Jahrtausende die bewährte Form der Therapie. In der chinesischen Medizin gilt sie gar als eine der fünf Säulen, auf der die TCM beruht, die Traditionelle Chinesische Medizin.

Zu allen Zeiten und in sämtlichen Kulturen unserer Welt war die Pflanzenheilkunde, die Phytotherapie, selbstverständlich eingebettet in das große Konzept der Medizin. Heute kämpfen Forscher an vielen Fronten. Sie untersuchen bekannte Pflanzen auf neue Wirkstoffe, und sie suchen nach neuen, unbekannten Pflanzen und deren Wirksubstanzen. Gespräche mit den Einheimischen der Weltregionen können wertvolle Hinweise geben – doch deren Wissen stirbt langsam aus zusammen mit den Pflanzen, die den Rodungen am Amazonas und anderswo zum Opfer fallen.

Pflanzen lassen sich nur grob dosieren

Ein Problem bei der Phytotherapie ist das der Dosierung. Pfefferminze, im Übermaß genossen, ruft Bauchschmerzen hervor; die oben vorgestellte Weidenrinde erhält Unterstützung durch andere Inhaltsstoffe (sogenannte Flavonoide), die die Pflanze hoch potent werden lassen. „Unterstützung“ aber kann sich möglicherweise als etwas erweisen, für das wir das Wort „Nebenwirkung“ benutzen – also etwas Unerwünschtes.

In der Pharmazie hingegen geht es standardisiert zu. Hier wird eine genau bemessene Dosis des Pflanzenextrakts in die Pille gebracht oder in die Salbe untergerührt (egal ob dieser Extrakt nun künstlich hergestellt oder organisch gewonnen wurde).

Einzig die Anwendung entscheidet dann über die Menge des zugeführten Wirkstoffes: „Dreimal täglich“ steht beispielsweise auf der Verpackung, und es wird unterschieden nach Alter, nach Geschlecht, nach Allgemein- und Gesundheitszustand: Für Schwangere gelten bei den synthetischen Medikamenten oft eigene Hinweise, und wer mit zusätzlichen Krankheiten zu kämpfen hat, kann nicht bedenkenlos zu einem Medikament greifen, das beispielsweise gegen seine Kopfschmerzen hilft.

Ob das ein Vorteil ist? Zunächst scheint es so: Ein schädliches Zuviel an Medikament ist meist ausgeschlossen (sieht man mal davon ab, dass manche Patienten gerne nach dem Grundsatz handeln „viel hilft viel“ und deshalb aus eigenem Antrieb die Dosis erhöhen); andererseits ist der Mensch viel zu individuell. Das Prinzip „eines für jeden“ greift bei Arzneien nicht immer.

Die Phytotherapie spielt hier einen ihrer Trümpfe auf: Nicht nur, dass sie heilen hilft – sie fördert und aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers. Das kann die Pharmaindustrie mit ihren synthetisch hergestellten Rezepturen noch nicht.

Phytotherapie: Auf der Suche nach Heilsbotschaften

Wie auch immer – Fakt ist: Die medizinische Pflanzenkunde, die Phytotherapie, ist trotz ihrer Jahrtausende währenden Geschichte, trotz ihrer unglaublichen Vielfalt noch weitgehend unerforscht. Es gibt Schätzungen, nach denen erst etwa fünf Prozent sämtlicher Pflanzen auf ihre pharmakologische Wirksamkeit hin untersucht worden sind.

Heute versuchen Forscher im Amazonas zu retten, was zu retten ist. Doch andere Gebiete scheinen noch viel mehr zu verbergen: In den Gewässern unterm Eis der Polkappen schlummern (Pflanzen-)Reservoirs, deren pharmakologischen Potenz man gerade erst begonnen hat, zu entdecken.

Die Aussichten scheinen phänomenal!

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